Essay zum Kunstprojekt „einer von Milliarden“

Essay von Dr. Anja Wenn

einer von Milliarden

Wolf macht sich in diesen Arbeiten auf die Suche nach der Person hinter dem Offensichtlichen, hinter dem Öffentlichen, hinter Kleidung und Klischee. Ausgangspunkt sind vor allem eigene Fotos von Menschen auf der Straße. Physiognomie und Kleidung erzählen etwas über Herkunft und Kulturkreis, man beginnt sogleich, die Dargestellten einzuordnen und zu taxieren … Körperhaltung und Blick scheinen ebenfalls etwas zu erzählen, dass aber dem flüchtigen Blick zunächst verborgen bleibt. Beides sind Relikte der Situation oder des individuellen Moments, in dem die Person im Bild festgehalten wurde. Mehr darüber würde uns ein Bildhintergrund verraten, der die Menschen in eine spezifische Situation oder Umgebung versetzen und damit als Teil dessen definieren würde. Der Ort definiert den Menschen, besonders in der Verknüpfung mit Klischees über bestimmte (auch ethnische) Personengruppen. Und tatsächlich sind diese Aufnahmesituation und Umgebung der Person, vielleicht ihre Verstrickung in eine Handlung oder ein Ereignis, sowohl auf dem zugrundeliegenden Foto als auch in der Erinnerung des Künstlers präsent.

Wolf nähert sich der Person innerhalb des Malprozesses, indem er auf der Leinwand zunächst ein Bild dieser Gesamtsituation entstehen lässt. Dann aber wird dieser Umraum Stück für Stück wieder übermalt – weiß, fast abstrakt, mit groben Spachtelstrichen. Über das Auslöschen eines definierenden Umfeldes oder einer konkreten Situation lenkt Wolf die Konzentration zurück auf das Erzählerische von Mimik und Haltung. Und öffnet damit den Spielraum des Betrachters – hin zu eigenen Projektionen, aber auch zur Befragung von Klischees. Was bleibt also übrig, wenn ich dem Menschen den Ort, dem Bild die Handlung nehme?